Wie man ISO 10000 schafft



Qualitaetssicherung streng nach System ist in. Alle stoehnen unter ISO
9000. Dabei kennen sie noch nichtmal ISO 10000.

ISO 9000 ist, wenn im Betrieb ploetzlich externe Berater aus dem Boden
wachsen, die ehrenwoertlich so teuer sind, wie sie aussehen. Wenn das, was
bisher auf einem Pickzettel mitgeliefert wurde, in Hinkunft auf zwei
Formularen stehen muss. Wenn das Produktionsband mit einem roten Teppich
ausgelegt wird. Wenn am Personalklo seit gestern eine Stoppuhr haengt.

Schadenfreude ist, wenn es Ferdinand B. gelingt, in einer
Nachmittagsschicht seinen Walkmanm zu reparieren und mit der Buero-EDV die
Einkaufsliste fuers Wochenende zu formatieren. Umzingelt von Beratern mit
Schweizer Akzent und ISO 9000 zum Trotz.

Aus Bruessel Karl-Detlev Fehlerfrei von der Lobby zur Entwicklung
vierhaendiger Arbeitnehmer: "Wir haben die Sache von Japan abgekupfert und
dabei den 'Human Factor' vergessen. Den gibt's dort naemlich nicht!"

Abhilfe ist in Sicht: ISO 10000, das Euro-Qualitaetssicherungssystem von
morgen, spuert Motivationsluecken bei den Mitarbeitern auf und lukriert
jene letzten Rationalisierungsreserven, an denen ISO 9000 verbeinormiert.

Schach der Woche davor:
Einschlaegige Untersuchungen signalisieren einen rund 40prozentigen
Produktivitaetsabfall in der letzten Woche vor Urlaubsantritt. Dies trifft
auch auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu, deren bekannt oekonomischer
Arbeitsstil Burn-Out-Symptome verlaesslich ausschliessen laesst.
Regungsloses und bruetendes Studieren der geloesten Flugtickets,
Tagtraeumereien verbunden mit antizipativen Gelatine-Lutschbewegungen sind
die Regel.

Die Vergabe von Urlaubskontingenten im Rahmen einer Urlaubs-Lotterie
Freitag nach Dienstschluss wird erwogen. Urlaubsantritt des Gewinners der
Woche: Montag morgen.

Nie wieder ein Milk Incident:
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mehrmals an der leeren Kaffeekanne
vorbeigestrichen sind, stundenlang auf den roestfrischen Altruismus einer
Kollegin gelauert haben und schliesslich selbst die Initiative und einige
Loeffel Kaffeepulver in die Hand nehmen, geraten fallweise an ein Trauma.
Naemlich dann, wenn es angesichts des selbstgebrodelten Bohnentroesters
heisst: "Die Milch ist aus!" Insbesondere maennlichen Kollegen, die in die
Niederungen der Kaffeesiederei herabgestiegen sind, sind waehrend des
restlichen Arbeitstages erfahrungsgemaess nur noch fuer einfache
EDV-Eingabetaetigkeiten verwendbar.

Die flaechendeckende und verbindliche Einfuehrung von Fruechtetee (Marke
"Happy Hour") ist in Vorbereitung.

Kein Platz fuer Schreibtisch-Jausner:
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die eine Schreibtisch-Jause einem
gepflegten Mittagessen vorziehen, kosten betriebliche Substanz. Die
verbreitetsten Suenden sind Streichwurstflecken am frisch ausgefuellten
Lieferschien, Mumpfeln am Telefon ("Muesli!" statt "Gruess Sie!") und
willkuerliches Ausloesen von Error-Piepsern am PC zur Maskierung
unwillkuerlicher Ruelpsgeraeusche. Insbesondere Aroma-Duelle, etwa zwischen
dem Verzehren einer ANKER-Schnecke mit dem Baendiger einer Kaeswurstsemmel,
legen in Extremfaellen ganze Abteilungen lahm.

Ein kostenneutraler Vorschlag sieht die Abschiebung kulinarischer
Protagonisten in die bestehenden Raucherzimmer vor. Pappteller werden
beigestellt.

Ausmerzung der Witzbolde:
Das Erzaehlen von Witzen im Betrieb beschert enorme Produktionsausfaelle
und bringt unmittelbar nach einer Ausstrahlung der Sendung "Gaudimax" via
ORF zuweilen das gesamte Tagesgeschaeft zum Erliegen. Vor allem Witze wie
"Kennen Sie den Unterschied zwischen....." bringen es bis zu 36facher
Darbietung pro Werktag und Betrieb. Witzbolde, die iher Nummern selbst
kreieren, beanspruchen zu diesem Unterfangen im Schnitt 5 Ueberstunden in
der Woche. Zu Buche schlaegt zudem, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
bis zu 12 Stunden deaktiviert sind, im Bemuehen, die Pointe zu kapieren.
Was in der Regel an den Witzen liegt.

Es empfiehlt sich, Witze-Taeter in ein fashionables Seminar-Hotel zu einem
Desensibilisierungskurs im Crash-Verfahren abzukommandieren: Acht Stunden
"Kennen Sie den Unterschied"-Witze. Zehn Minuten Kaffeepause.

Weitere Massnahmen der ISO 10000 befinden sich in Ausarbeitung. Karl-Detlev
Fehlerfrei in Bruessel: "Wir vergessen nichts!" - Und niemanden.

[von Andreas Spannring, aus: VISA, das Magazin von Visa-Austria, Ausg.
5/94., S.12]

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